Oto Oltvanji

Depeschen aus dem Literaturhaus

12. 11. 2011.

Ein Schreibheft und ein Bleistift (falls das Notebook kaputt geht), hier. Verwicklung-Notizen, hier. Webcam (für kinky stuff), hier. Videosammlung, hier. Zwei Buchtürme (zollpflichtig?), hier. Taschenflasche – HIER! Ich setzte den tödlichen iPod auf, die Leute im Bus tun mir leid. Auf nach Istrien, um in Isolation wie ein Verrückter zu schreiben.

 

13. 11. 2011.

Im Märchenhaus am Rande des Abgrunds untergebracht. An Strom, ans Netz angeschlossen, bereit für närrisches Tippen. Aber … zuerst ein Gläschen Biska, Mistelschnaps, des bestaufbewahrten istrischen Geheimnisses. Oder zwei.

 

14. 11. 2011.

Mir gefällt die hiesige Nahrung. Manestra, Bohnen, Fuži (hausgemachte Nudelschleifen), Trüffel, Putenfleisch, Spargel. Wenn ich es wagen würde, könnte ich vom Restaurant des Motels „Lovac“ mit der Seilrutsche über den Abgrund direkt zum Haus hin – Tragfähigkeit acht Tonnen, Flugdauer acht Sekunden. Nur musste man hungrig zu Fuß bergauf.

 

15. 11. 2011.

Eine alte Schreibmaschine im Schaufenster in Pazin. Ich würde  mich abrackern, hätte ich alle heutigen Korrekturen auf dieser machen müssen, und doch vermisse ich sie manchmal, den alten Kram.

 

16. 11. 2011.

Heutige Runde: 1.313 Wörter. Für die alte Garde, vier Normseiten. Nicht die gewünschte Tagesquote, aber nahe.

 

17. 11. 2011.

Ich verlor den ganzen Tag auf der Suche nach dem Satz von heute morgen. Ich erkläre diesen offiziell für verloren.

 

19. 11. 2011.

Die Luft riecht nach Rauch von der Holzheizung. Aus dem Abgrund hört man den Pazinčica-Fluss. All der Nebel dieser Welt quellt aus der Schlucht hervor. Das ist eigentlich kein Nebel sondern der Hauch des Schluchtwesens. Das Tagebuch, das in drei Wochen im leeren Literaturhaus gefunden wird, wird mit Dialogen mit dieser Kreatur ausgefüllt sein. Derjenige, der die Schriften findet und liest, wird nachts beginnen etwas zu hören – nichts? – was im Tagebuch als perfektes Gleichgewicht zwischen Schrei, Flüster und Stille beschrieben wurde, und dann…

 

20. 11. 2011.

Sonntagsausflug. In einem Keller in Motovun: Kräuterschnaps, Weichselschnaps, Wein. Bin versorgt mit Biska-Vorräten, für hier und für zu Hause.

 

21. 11. 2011.

Da liegt eine eingedrehte Logik darin, dass ein Teil dieser batschkas Gotik im Herzen Istriens zur Welt kommt. Es wäre allerdings nicht schlecht, wenn die Geburtsjahren der Gestalten aus sechs Generationen, in einem Werk, das eine Familiensaga sein möchte, übereinstimmen würden. Das Schreiben ist manchmal reine Mathematik.

 

23. 11. 2011.

All work and no play makes Jack a dull boy. All play and no work makes Jack a mere toy. Es ist nicht nur Arbeit, da gibt es auch Spiel: letzte Nacht in Pazin unter Moderation und Fragenfeuer von Davor Šišović, plapperte ich denjenigen, die keine Angst vor Winter haben (und es ist kein Löwe). Heute werde ich über Horror in Umag sprechen (Angst hat wer gesund ist).

 

24. 11. 2011.

Der Schulsaal ist voll. Die Direktorin des Gymnasiums stellt die Fragen aus dem Publikum. Die Antworten haben bestanden. Ich habe meine übliche Zirkusnummer gespielt – nacherzählen des 500-seitigen Romans in weniger als einer Minute mithilfe von einem Zahnstocher. Von einer Gymnasiastin bekamen wir heißes, von ihrer Mutter gebackenes Kornbrot. I heart Umago. Das Treffen in der Umager Bibliothek organisierte mein Kollege aus Gymnasium in Subotica Neven Ušumović, Bibliotheksleiter und Schriftsteller, mein Freund noch aus den Zeiten des Ausflugs nach Fažana und Pula vor genau 23 Jahren. Circle of life, Simba.

 

25. 11. 2011.

Auf der Rückfahrt nach Pazin, kurzer Stopp in Poreč. Trotz der gespenstig leeren Straßen ist Winter am Meer noch immer schöner als am Festland.

 

27. 11. 2011.

Gestern war ganz lustig in der gelegentlich gespenstigen Atmosphäre des Cafes „Vampire“ in Kringa. Ich erklärte den Titel Wirbelsäule der Nacht dem berühmten Astronomen. Ich hinterlegte den Roman in eine Horror-Vitrine mit Hängeschloss in Form eines Sargs. Korado Korlević bemerkte, dass der Sarg eher in Form einer modernen Computerphysiognomie mit etwas breiteren Hüften, als der einstigen mit mehr Breite in den Schultern hergestellt wurde. Der Abend setzte sich auch nach dem offiziellen Teil fort, der rote Cocktail mit Namen „Jure Grando“  floss in Strömen. Das Leben ist auch weiterhin herrlich eigenartig.

 

28. 11. 2011.

Ich habe zwei Tage lang nicht geschrieben. Nachholen leere Versprechung. Alles ist ausgewählt für den neuen Risiko-Roman: Genre, Prämisse, Gestalten, Handlungsort. Wollte es denn jemand anders haben?

 

01. 12. 2011.

Das Licht am Tunnelende wird erkennbar. Ganz ehrlich? Ich habe Heimweh. Und wie es auch gut heißt, behandle deinen Gast drei Wochen als Gast aber am nächsten Tag gib ihm eine Hacke. Aber, wieso fällt mir der Abschied so schwer?

 

02. 12. 2011.

Hier sorgten um mich Davor, Meister Goran und Iva Ciceran. Iva war eine Gastgeberin zum Wünschen. Das Wesen des langen vereinsamten Abenteuers haben Mirko, Šile, Raul geändert, mich als ihren eigenen aufnehmend. Ich bin schnell zum Inventarium von „Sax“ geworden, eines Cafés mit Jukebox, wo Danzig gespielt wird. Das habe ich eigentlich schon am zweiten oder dritten Tag begriffen, als mich der Eigentümer-Biker als erster begrüßte. Chronisch mehr Glück als Verstand. Zum Wohl.

 

03. 12. 2011.

Zwanzig Tage, fünfzig Normseiten (15.000 Wörter). Aufgrund anderer Obligationen, einige Tage Pause. Ist nicht für Guinness, aber zusammen mit dem von früher, bin ich beim zweiten Akt von vier. Ich möchte es eigentlich immer so haben. Ich werde an Pazin denken, und ich komme zurück, da bin ich sicher. Das nächste was kommt: Schreiben im Schaufenster der Metropole, wie Harlan Ellison.nbsp;

14. 11. 2011.

Mir gefällt die hiesige Nahrung. Manestra, Bohnen, Fuži (hausgemachte Nudelschleifen), Trüffel, Putenfleisch, Spargel. Wenn ich es wagen würde, könnte ich vom Restaurant des Motels „Lovac“ mit der Seilrutsche über den Abgrund direkt zum Haus hin – Tragfähigkeit acht Tonnen, Flugdauer acht Sekunden. Nur musste man hungrig zu Fuß bergauf.