Dorta Jagić

Ein Monat weg von der Launenhaftigkeit des Stadtalltags. Ein Monat in Pazin, wie ein ganzes Lichtjahr. Klingt wie guter Anfang einer Geschichte und ein guter Jahresanfang. Und dieses Jahr 2012 hat für mich sehr gut angefangen. Ich habe nämlich einen sonnigen Februar in Pazin geschenkt bekommen, und zwar während der Rest des Landes im Schnee verweht war. Und so weit genug, um die geschenkte Einsamkeit ungestört zu lassen.

Eine längere Zeit allein zu sein ist ein ungewöhnliches Privileg für einen Schriftsteller. Die Einsamkeit im Literaturhaus ist keine gewöhnliche Einsamkeit, sondern ein aristokratischer Genuss. Und diese reiche Einsamkeit wird von Zeit zu Zeit beim Kaffeetrinken in der Stadt und wenigen Darstellungen meines Werks noch zusätzlich durch die Persönlichkeit von Iva Ciceran, des guten Geistes und der Königin der Stadtbibliothek Pazin, von meinem herrlichen Kollegen Dichter Branko Vasiljević und von der unerlässlichen Enzyklopädie auf zwei Beinen Davor  Šišović bereichert. Ihre Erzählungen und kurze Lebensgeschichten erfreuen mich wie einige Begegnungen mit ungewöhnlichen Abenteurern, von Paziner Indianern mit Pferden auf der Wiese oberhalb der Schlucht bis zerzausten Abenteurern auf der Gummibootreise von der Save bis Schwarzmeer, und der Professorin Majda, die während des sommers in einem Waisenhaus in Tansania volontiert.

Im Haus sind nur ich und der Computer, einige Bücher und der wunderschöne Ausblick vom Balkon. Jeden Morgen begrüßt mich die dramatische Schönheit der Paziner Schlucht mit tief über dem Abgrund fliegenden aufgeregten Vögeln. Als zusätzliche Anregung für den Geist steht am Felsen das erhabene Kastell, aus welchem Jules Vernes Matthias Sandorf fluchtete. Und das baufällige Aristokratenhaus, welches an das Haus aus der Poes Geschichte über Untergang des Hauses Usher erinnert.

Aus Pazin werde ich auch den märchenhaften Kontrast im Gedächtnis behalten – tagsüber sanfter Frühling, nachtsüber sibirischer Winter. Nachts weht der Wind, pfeift durch die wüsten Nachtstraßen. Glücklicherweise ist im Literaturhaus leise und warm, heimisch. Keiner ist da, das Telefon läutet nicht. Ich schalte den Computer ein, alles bereit für das Abenteuer.